Christian Rosenstock

 

 

Aus “Obersuhl ,Geschichte .........” von Georg Ide

 

 

1825 kam   Christian  Rosenstock , Großvater von Horsts Großmutter Martha,   aus Nesselröden nach Obersuhl. Sein Lebensweg übertraf von da ab das bescheidene Gleichmaß der Obersuhler Lebensläufe in beachtenswerter Weise.  Er hatte schnell erkannt, wie seine Füße festen Grund in der neuen Heimat finden könnten und heiratete 1825 eine 24jährige Witwe, Anna Maria Bachmann, geb. Gliem, der ihr früh verstorbener Mann 55 Acker Land hinterlassen hatte. Mit zusätztlichen 8 Acker väterlicher Aussteuer genügte das gewiß als Grundlage für einen gesunden bäuerlichen Betrieb. Doch tat der Vater zur zweiten Verheiratung der Tochter noch ein übriges und schenkte den in 1820 für 440 Taler erstandenen halben Lehnshof samt der eigenen Gasthauskonzession dem neuen Schwiegersohn. So viel Wohlstand wäre manch anderem gewiß zum Übermut geraten, doch in unserem Falle ward ein ungestümer Tatendrang geweckt.

Der junge Mann   -gelernter Bäcker-  war bald beliebter Gastwirt und hatte auch den rechten Blick für andere Möglichkeiten, die sich ihm von derart sicherem Grunde darboten. Kaum war ein Stückchen Land zu kaufen, so hatte er die Taler schon bereit. Fünf Jahre waren kaum vergangen, da hatte er noch 25 Acker zugekauft Wofür er die 270 Taler nicht zu borgen brauchte. Zwei Söhne waren dem Ehepaar geboren worden , da starb - kaum 30jährig - die Frau, die Kinder waren 3 bzw. 6 Jahre alt.

Wir lesen nichts darüber, wie diese schwere Zeit ertragen wurde;  die Tatkraft des Mannes aber wurde auch von diesem Unglück nicht gebrochen, die Arbeit auf den Feldern ließ nur wenig Zeit zum Stillesein und Trauern. Die Verpflichtung gegen Hof und Heim, die den Menschen jener Zeit bestimmendes Gesetz des Lebensweges war, hielt auch ihn auf dem bisher beschrittenen Weg. Eine jüngere Schwester der verstorbenen Frau, Anna Martha Gliem, trat an deren Stelle. Das väterliches Erbteil brachte dem Hof die beträchtliche Vergrößerung um 17 Acker, so daß es mehr als 100 wurden. Es wäre langweilig, aber die weiteren Landkäufe im einzelnen zu berichten, da sie Jahr für Jahr bis 1866 fortgesetzt wurden und den Besitz auf 265 Acker brachten...........(vgl S.75 in “Obersuhl, ....”von Georg

I D E)  Auf Seite 76 von Ide lesen wir:

Unser Gutsbesitzer aber war mit dieser Leistung noch nicht am Ende seiner Unternehmungen. Die geschäftliche Fühlung mit der Eisenbahngesellschaft ließ ihn neue Möglichkeiten ahnen. Die Bahngleise wurden in der Anfangszeit auf Kiesschotter verlegt und solchen Kies hatte R. unter seinem Acker auf dein Röhnberg entdeckt.(Röhn ist wohl der mundardliche Ausdruck für Rain = Hang, die heutige Bezeichnung Wache kam vermutlich auf, als man beim Kiesabbau auf Gräber stieß, deren Inhalte an kriegerische Zeiten erinnerten.) Um sich den ganzen Kieshügel zu sichern, kaufte R. die Nachbargrundstücke auf und ward nun Kieslieferant der Eisenbahn. Er ließ eine Feldbahn legen zu der nahen Bahnstrecke und schüttete den Kies von einer Rampe gleich in die Güterwagen der Eisenbahn. Das war ein so verlockendes Geschäft, daß R. ein zweites Kieswerk an der gleichen Strecke in Herleshausen anlegen ließ. Daß bei den reichen Einnahmen der Gutsbetrieb mit den besten Arbeitsmitteln versorgt werden konnte, ist leicht zu verstehen, wie es natürlich auch keinen Mangel gab an Arbeitskräften, da lohnender Erwerb damals hier sehr gesucht war. So war ein musterhafter landwirtschaftlicher Betrieb entstanden wie von alten Augenzeugen noch berichtet wurde.

Am Ende seines Lebensweges konnte Christian Rosenstock befriedigt auf seine Tätigkeit zurückschauen, denn der sichtbare Erfolg war zum guten Teil aus eigener Tüchtigkeit erwachsen.

Zurück blieben mit der Witwe, die bis 1885 lebte, 2 Söhne aus erster und 2 Söhne aus zweiter Ehe. Der älteste ward Pfarrer, der zweite wurde Bauer auf dem von Philipp Mohr gekauften Hof - heute Lindenstraße 29 -, der dritte wurde Kaufmann auf einem Teilgrundstück des früheren Lehnhofs, und der vierte übernahm das väterliche Gut. So lag der Fortbestand des Erbes in der Hand des Jüngsten, der erst 22 Jahre zählte. Die Mutter führte ihm das Haus, bis er im Jahre 1876 heiratete. Zwei Söhne gingen aus dieser Ehe hervor, verloren jedoch schon früh die Mutter, der 3 Monate später auch die Großmutter ins Grab folgte. Das größere Unglück für die beiden Knaben - 6 beziehungsweise 8 Jahre alt - erwuchs aber daraus, daß

 

 

diese Lücke nie geschlossen wurde. Als der Vater gar mit 54 Jahren starb, fiel der Hof dem 22jährigen  jüngsten Sohn zu, der wohl als Landwirt ausgebildet war, doch nicht soviel Entschlußkraft hatte, den Gutsbetrieb weiterzuführen Er lebte unverheiratet vom Pachtzins der Äcker und später immer mehr von deren Verkauf, bis er 1960 im  Alter von 83 Jahren starb und der  restliche Besitz versteigert und der Erlös unter die weitläufige Verwandtschaft verteilt wurde, da auch der ältere Bruder ledig geblieben war und als Stadtrat in Kassel vorher verstorben war. So hatte diese hoffnungsvolle Besitzgründung schon in der dritten Generation ihr bedauerliches Ende gefunden.

 

 

Weiter bei  Georg Ide Seite 109:

Christian Rosenstock war ein kluger Mann, vortrefflicher Rechner, der seinen Vorteil überall zu wahren wußte. Mit geringem Vermögen kam er von auswärts in das Dorf, aber durch Fleiß und Klugheit erwarb er allmählich ein großes Vermögen, namentlich durch Lieferungen an die Eisenbahn. In seinem Familienleben war er ein Muster. Gegen seine 2. Frau - die 1. habe ich nicht mehr gekannt - war er stets freundlich und aufmerksam, er wußte wohl, welchen Schatz er an seiner tüchtigen, fleißigen Martha hatte. Gegen seine Kinder war er der gütige Vater und sorgte für alle in gleicher Weise. Dem ersten Sohn aus 1. Ehe kaufte er einen eigenen Hof, den zweiten ließ er Theologie studieren und war hocherfreut als er in einem Dorf bei Vacha Pfarrer wurde. Beide Söhne hielten auch die 2. Frau ihres Vaters allezeit in Ehren wie eine rechte Mutter und lebten mit den Stiefgeschwistern in bestem Einvernehmen. Auch für letztere sorgte der Vater aufs beste. Während die Tochter sich glücklich verheiratete, wurde der eine Sohn Kaufmann, der zweite Landwirt und erhielt den väterlichen Hof .Mit  beiden haben wir Pfarrerskinder manch schöne Stunde in Spiel im Haus,in den Scheunen und Gärten zugebracht,woran ich noch mit Freuden denke. Vorbildlich und musterhaft war seine Sorgfalt und Liebe zu den Tieren. Bekannt weithin war die Geschichte vom alten Fuchs, einem alten, invaliden Pferd, das sein Gnadenbrot erhielt und sich der Güte seines Herrn erfreute bis zu seinem natürlichen Ende. Eines Julitages wollte der Fuchs so gern nochmal mit ins Feld, er wieherte vor Freude und ging nun, ohne daß er ziehen brauchte;  - und am alten Doktorhaus ist er tot zusammengebrochen. - Unser Nachbar besorgte und betreute sein kleinstes Kätzchen mit derselben Gewissenhaftigkeit wie sein wertvollstes Pferd. Knechte und Mägde hielten jahrelang zu Haus und Hof im selben guten Geist. -

 

Mit zunehmendem Alter wurde er körperlich überaus wohlbeleibt. Daher litt er im Sommer sehr unter der Hitze. Infolgedessen machte er es sich an heißen Tagen gern bequem: er trug nur ein Hemd, das auf der Brust weit offen stand, eine Hose, die mit einem Hosenträger befestigt war und sogenannte Schlappen. Kühlung verschaffte er sich in der einfachsten Weise: bei großer Hitze ging er unter die Pumpe, die auf dem kleinen Hof nach der Pfarrei zu war, pumpte tüchtig, daß das Wasser in vollen Strömen kam, und hielt dann den Nacken unter die Pumpe, daß das Wasser den Rücken herunterlief und durch die beiden Hosenbeine abfloß. Nun setzte er sich höchst befriedigt in seine Wirtsstube und genehmigte sich zur Erholung von dieser Anstrengung einen Likör oder ein Schnäpschen. -

 

Gegen seinen Pfarrer, gegen Nachbarn und Bekannte war Christian Rosenstock allezeit freundlich und entgegenkommend und half gern aus, wo er konnte. Daher war er sehr beliebt, man  half ihm gern wieder. Seine (Gast-) Wirtschaft war die besuchteste im Dorf, dabei sah er streng auf Ordnung und Anstand. Zänker warf er wohl eigenhändig zum Haus hinaus. Seine Landwirtschaft hatte er im besten Zug, den Ertrag verstand er wohl auszunutzen. In Gluck und Zufriedenheit erreichte er ein hohes Alter, beliebt und geachtet im ganzen Dorf.