Aus der Obersuhler Chronik von Georg    I D E       1971  Seite 108f

 

Der Lehnsherr  Georg  Mohr         * 25.5.1800  + 18.11.1862

 

Der Lehnsherr war ein tatkräftiger, tüchtiger Mann, in der Landwirtschaft wohl erfahren. Sein "Werk" hatte er im besten Stand, seine Äcker wurden trefflich bestellt, sein Vieh gut genährt, Haus, Scheunen und Ställe  waren in bester Ordnung. Das war vor allem sein Verdienst, denn des Morgens war er der Erste, des Abends sah er häufig nach allem, er wußte wohl, des Herrn Auge macht den Hof reich, das Vieh fett. Von seinen Knechten, Mägden und Tagelöhnern  forderte er Fleiß und Ordnung, Treue und Redlichkeit. Unredliche Leute jagte er kurzerhand fort. Sein Gerechtigkeitsgefühl empörte sich gegen alle Betrügereien.

Nach demselben Gefühl  gab er jedem willig, was ihm zukam. Daher blieben die Leute gern jahrelang bei ihm. Gegen seine Frau und Kinder war er gütig, aber streng, von ihnen verlangte er treue, fleißige Mitarbeit, in der Tat war die Lehnsherrin  trotz ihres Wohlstandes unermüdlich tätig und schaffte unverdrossen, die Kinder aus 1. wie aus 2. Ehe waren wohlgeraten und halfen treulich mit  in Haus und Feld.

Ebenso verlangte er von ihnen Gehorsam gegen seine Anordnungen. Widerspruch und Auflehnung gegen seinen Willen duldete er nicht. In solchem Fall konnte er streng bis zur Härte sein. Diese Härte soll auch, wie die Dörfer behaupteten, das Glück seines Sohnes Wilhelm.  dessen ich mich in seiner schmucken Husarenuniform deutlich erinnere, vernichtet haben. Wilhelm  wollte ein Mädchen heiraten, der Vater gab es aber unter keinen Umständen zu. In seinem ganzen  Wesen war er ein Ehrenmann, er wußte, was er sich und seiner Stellung schuldig war, und setzte seinen Stolz darein ehrenhaft zu handeln. Als er mit einem Nachbar Streit hatte, erbot sich ein Knecht, das Hoftor seines Gegners mit Kot zu beschmieren.  Diese ihm zugemutete Gemeinheit empörte den Lehnsherrn so, daß er den Knecht auf der Stelle fortjagte. Aus dem Bewußtsein seiner Tüchtigkeit ergab sich sein Stolz. Er war stolz darauf, der erste Bauer des Dorfes zu sein und forderte von anderen die Anerkennung dieser Stellung. Als eine Kränkung hätte er es angesehen, wenn ihm jemand seinen Platz in der Kirche, seinen Sitz im Wirtshaus besetzt hätte. Gegen einen anderen Bauern, der ihm einst  im  Wirtshaus zu nahe trat, blieb er unversöhnlich bis zum Tode. Diese Anerkennung seiner Stellung wurde ihm auch willig zugestanden. Bei der "B ü r g e r g a r d e" war er der Hauptmann, um so leichter dazu gewählt, da er als alter kurhessischer Soldat mit Kriegswesen Bescheid wußte. Schneidig und sicher führte er seine Bürgersoldaten zur Übung. Stramm und schneidig hielt er sich überall. Bis in sein Alter schritt er stolz und aufrecht durch das Dorf, in allem der Lehnsherr. An seinem Hof, der Grundlage seiner Stellung, hing er mit größter Liebe. Das Wohl des Hofes kam bei ihm in erster Reihe, dagegen mußte alles Persönliche zurücktreten. Von seinem Eigentum konnte er sich nicht trennen. Daher war er nicht zu bewegen, auf das Altenteil zu gehen und den Hof einem Sohn zu übergeben. Das wäre ja auch nur unter Bevorzugung dieses einen Kindes möglich gewesen - das ging gegen sein Gerechtigkeitsgefühl  und  seine Liebe zu allen Kindern. Daher bestimmte er auch nichts in seinem Testament über den Hof . Bei seinem Tod war keiner seiner Söhne reich genug, den Hof zu übernehmen und die Geschwister auszuzahlen. Infolgedessen erwarben ein paar Güterschlächter das Gut und verkauften den Hof, die Äcker und Wiesen einzeln mit großem Gewinn. So wurde das schönste Besitztum des Dorfes vernichtet. An solchen Beispielen zeigt es sich: Bei unbeschränkten Erbteilungen geht der Bauernstand zu Grunde, an seine Stelle treten erst Kleinbauern,  dann Tagelöhner und schließlich Bettelleute.